ponedjeljak, 21. studenoga 2011.

Lea Titz (Graz/Wien, Austria)

An jeder Wand sieht man das grb
Von Hajduk Split gemalt mit skrb.

Es zeigte einst mit seinem prst 
Diokletian von hier nach Trst.

Die Kapern wachsen wo es strm,
Granatäpfel auf einem grm.

Man bringt ihm hier in seinen vrt
Viel Chrysanthemen dem Herrn smrt.

Es dreht sich schnell und wie ein zvrk
Der Piciginspieler, dann wird’s ihm mrk.
 

Mit dem Flugzeug nach Split. Einige Mannschaften der Tischtenniseuropameisterschaften für
Menschen mit Behinderung, aus Tschechien zum Beispiel, sind mit an Bord. Irgendwie ein besonderer Flug mit besonderer Stimmung dadurch: der Flieger fährt nicht in den Urlaub,
sondern zu einer Meisterschaft. Erst wenn man aus dem Flughafengebäude kommt, ist man
angekommen. Flughäfen sind Orte mit Raum-, Orts- und Jahreszeitenchaos. Und in Split kommt man unter psychedelischen Dächern ins Freie, sieht schon das Meer, sieht schon den Bus – aber der fährt erst, anders als vom Fahrer in Aussicht gestellt, eineinhalb Stunden später.

Früchte, die ich noch nie auf Pflanzen gesehen habe, sind gerade reif: Kiwi, Kaki, Granatapfel, Mandarine. Die Feige kenne ich schon gut – die ist früher dran und ist mittlerweile auch in nördlicheren Gegenden immer häufiger zu sehen.
 
Ankommen, abgeholt werden. Zu einem Parkplatz. Dort Edi und Maja treffen. Maja absetzen. Ins Zentrum. Ins Apartment. Auf ein Bier. Durch die Stadt. Das ist Edi: ihm fällt immer was ein und es wird sofort in Angriff genommen. In Bewegung bleiben.  Tun statt grübeln. Think big, sagt er.
Und tuts. Sagt öfter ja als nein. Ja zu Espressi am Riva, ja zu allem, was es anzunehmen gilt, sei es zu Fuß oder mit dem Auto zu erreichen. Das kann unter Umständen ganz schön weit sein.
 
Ich schlafe 12 Stunden. Dann muss ich natürlich als erstes ans Meer.
 
In beide Richtungen gibt es Strände. Der Strand  Richtung Süden erzählt mir von spielenden
Männern. Die erste Bucht gehört dem Picigin, die zweite dem Schach, dem Boccia und den etwas älteren Herren. Einmal habe ich Frauen durch ein Fenster Bingo spielen gesehen und dass hier  viel, gerne und vor allem mit dem italienisch-spanischen Blatt Karten gespielt wird. Das hat die gleichen Symbole wie das Tarot (Stäbe, Scheiben, Schwerter und Kelche.

 Split hat ähnlich viele Einwohner wie Graz. Es gibt auch eine historische Altstadt, die in Split noch viel „historischer“ und noch immer, oder wieder, tatsächlich Zentrum ist. Sonst ist alles anders. Hinter der Altstadt– und es ist immer da dieses Gefühl von Vorder- und Rückseite, geht es hügelig bergauf und bergab und die Häuser sind hoch und die Straßen breit. Eine Rundumausdehnung wie in Graz ist nicht möglich. Rund um dieses Graz, das rund um die Altstadt liegt, kommen Hügel: rundum (fast). In Split gibt es das Meer, dann die Altstadt und dann dieses restliche Split, in dem die meisten Spliter wohnen. Und für noch weiter dahinter braucht man ein Auto, um die Berge zu erreichen, die man fast überall in Split sehen kann: schöne, hohe, karstige Berge. Die Karstberge verändern sich viel stärker als unsere waldigen, sie können alle Farben haben und sowohl sanft als auch gefährlich aussehen.

Es geht darum, mir möglichst schnell ein Bild davon zu machen, wie es ist, hier zu leben.
Das ist es, was mich am meisten interessiert. Nicht, wie es ausschaut, sondern wie es sich anfühlt.
Ich bekommen den Eindruck, alle fahren hier regelmäßig nach Zagreb, betonen aber, dass sie Zagreb zwar schätzen, das Leben in Split aber das angenehmere und langsamere Tempo hat. Gilt das auch für die, die oben in den hohen Häusern wohnen? Dass es unten so ist, kann ich sehen: die Kaffeehäuser am Riva sind, wenn wetterlich möglich, immer voll. Der Kaffee kostet wie in Italien weniger als einen Euro. Ich glaube, dass würde Wien von Grund auf verändern, wäre das dort auch so.
 

Die Geschichte mit dem Fisch ist schnell erzählt. Fisch kaufen ist bei einem Markt wie in Split einfach ein Muss. Aber ich habe noch nie einen ausgenommen. Ich habe auch nicht gewusst, dass man es gleich machen muss. Es zu tun, hat mir Schweiß auf die Stirn getrieben. Danach war ich sehr stolz und zufrieden. Der Fischmarkt hier sei der einzige weit und breit ohne Fliegen, sagt man. Wegen schwefelhaltiger Quellen, deren Wasser auch im naheliegenden Krankenhaus verwendet wurde/wird. Was man immer wieder riechen kann.  

Das Arbeiten fällt mir an einem anderen Ort oft nicht so leicht – aus folgendem Grund.
Malen und Schreiben an einem anderen Ort kann diesen einbeziehen oder man kann komplett verheimlichen, wo man gearbeitet hat. Beim Fotografieren oder Filmen ist das anders. Wenn es nicht um reine Dokumentation geht, besteht die Gefahr, das Videos oder Fotos an einem Ort wie Split wie aus Langeweile im Urlaub entstanden aussehen. Bilder oder Videos wirken schnell interessant, wenn das Abgebildete exotisch ist. Mich interessiert aber, wenn der Blick exotisch ist und nicht das Erblickte. 

Die Straßen im Palast sind glattgegangen und sie glänzen. Es ist das Alter der Steine, es ist die helle Farbe und was in der Nacht passiert. In der Nacht kommen Männer, zu dritt, und gehen mit einem langen dicken Wasserschlauch durch die Straßen und waschen mit viel Wasser die Straßen und die Plätze. Wenn es regnet, brauchen sie das nicht, aber Vorsicht: bei Regen ist der Palast rutschiger und glänzender denn je, erinnert an Eis und Parkettboden.

In Österreich kenne ich den Fön, den Ostwind, den Südostwind, den Südwind, den Südwestwind, den Westwind, den Nordwestwind, den Nordwind, den Nordostwind.
In Split, vielleicht überhaupt eher am Meer, gibt es viele Namen für Winde. Namen, die auch im aktiven Sprachgebrauch zu finden sind und die viele auch erkennen. Man weiß um den Wind, man kennt den Jugo, die Bora mit vielen Unterarten, den Mistral ... Und man weiß auch, dass der Jugo die Leute verrückt macht. 

Es ist das erste Mal, dass ich länger um zu arbeiten in einem Land bin, dessen Sprache ich nie elernt habe. Die Sprache im Land, in dem man sich befindet, nicht verstehen und sprechen zu können, erzeugt manchmal das Gefühl von Hilflosigkeit. Es lässt mich zuweilen auch arrogant fühlen. Es ist Ursache für Aggression, wenn ich Leuten begegne, die so gar nicht bereit sind, mir zu helfen und mit einer Mischung aus fassungslosem und mitleidigem Gesicht in nahezu entrüstetem Tonfall „he?“ fragen. Es ist ein Kurs für Kommunikation, denn auch nach diesem demütigenden „he?“, lässt sich die Situation mit Humor und Ruhe zu einem guten Ende wenden.
Aber mir ist klar wie selten zuvor, dass man schon alleine für sich selber die Sprache in dem
Land, in dem man lebt, lernen muss. Mögen viele auch „eh“ Englisch, „eh“ Deutsch oder „eh“ Italienisch sprechen. Man muss jenen, die die Sprache (noch) nicht so gut können oder nur Touristen sind, unbedingt das Gefühl entgegenbringen, bei der Kommunikation aktiv
mitzuhelfen, alles andere kann den Verlauf des weiteren Tages negativ beeinflussen. Ich weiß das jetzt.

Es sind die Stühle der Cafes, die oft den Unterschied erkennen lassen. Ich mag jene mit Holz- oder Metallstühlen, auch mit Plastikstühlen, einfachen. Nicht die mit den geflochtenen Plastikkorbstühlen mit Polsterung. Und überhaupt: Polsterstühle im Freien stoßen mich ab.

Politischer Natur gibt es nur einige wenige Beobachtungen. Das Plakat mit Gotovina am
unoffiziellen Hauptplatz von Split mit der Aufschrift „Heroj“ von der rechtsnationalistischen
Partei HSP aufgehängt, aber doch von allen geduldet. In den Buchhandlungen die große Auswahl an Büchern, die sich mit diversen Kriegsthemen befassen (der Krieg ist vielleicht gerade lang genug her). Das Kopfschütteln über den aktuellen Bürgermeister von Split. Und dass es nicht viel Geld für Kunst und Kultur gibt.

Ich vermisse Tom. Aber es gibt viele Möglichkeiten des Kommunizierens und wir nutzen sie alle: sms, Telefonieren mit dem Handy, Skype, Mail am Laptop und Gedankenübertragung ... Aber dennoch bringt nur das Sichgegenüberhaben das gesamte Informationspaket. Und so lausche ich gespannt den Geschichten jener Frauen, deren Männer auf Schiffen arbeiten. Ich weiß nicht, ob man diese Zahlen hochrechnen kann, aber bei drei von fünf Frauen, mit denen ich zu tun habe, ist das der Fall. Vielleicht haben sie deswegen Zeit für mich. Mehrere Monate sind die Männer weg, dann einige Monate da, dann wieder weg. Meist ist nur Schreiben möglich also auch kein sich sehen am Bildschirm. Die Männer verdienen gut, die Frauen führen oft ihre eigenen Kleinstunternehmen in Split. 

Die Zugfahrt von Split Richtung Zagreb ist ein kleines Abschlussgeschenk. Nachdem der
Schaffner allen unaufgefordert Kaffee gebracht hat, falle ich in eine Modelleisenbahnwelt.
Eingleisig und zeitweise mit dem Geräusch eines Helikopters fahren wir zu zwölft in die Berge. Hoch überm Meer. An kleinen alten Siedlungen vorbei, wieder um eine Bergspitze herum. Da liegt eine kleine Wolke im Tal und im nächsten noch eine. Und im Laufe der ganzen Zugfahrt hole ich im Zeitraffer alle Stationen des Herbsts nach. Vom Frühherbst in Split bis zum Spätherbst in Wien.

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